Berechnung by M.C. Poets

Berechnung by M.C. Poets

Autor:M.C. Poets [Poets, M.C.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-03T16:00:00+00:00


Vier Tage waren seitdem vergangen, und Steve begann, auf der kleinen Lichtung das Nachtlager vorzubereiten. Er sammelte Holz für das Lagerfeuer und Moos für die Betten. Sie selbst ging mit einer leeren Konservenbüchse zum nächsten Bach, um Wasser zu holen.

Tagsüber bewegten sie sich durch den dichten Wald, wobei sie sich grob in Richtung Westen hielten. Steve war von seinem Vater von klein auf an in allen möglichen Überlebenstechniken unterrichtet worden, was ihnen jetzt zugutekam. Abends wählte er den Lagerplatz aus und bereicherte ihren eintönigen Speisezettel aus Zwieback und Konserven mit Wildkräutern und frischem Fisch, den er in einem der zahlreichen Bäche und Flüsse fing. Wenn sie unterwegs waren, schwiegen sie, doch in den Pausen erfuhr Steve nach und nach die ganze Geschichte von Hannahs Verhaftung. Anfangs fiel es ihm schwer zu glauben, dass die Frau, mit der er jetzt erneut auf der Flucht war, nicht sein großes Vorbild sein sollte.

“Aber ich habe nie behauptet, Elsa Jones zu sein”, wiederholte Hannah. “Auch nicht in der Vorverhandlung oder beim Prozess. Haben die Medien denn nicht davon berichtet?”

“Doch, das schon, aber außer ein paar Spinnern hat das niemand richtig ernst genommen. Dad meinte, du hättest schon deine Gründe, zu behaupten, du seist jemand anders.” Er schwieg einen Moment und starrte auf die Glut des Lagerfeuers vor ihnen. “Dad meinte, du hättest schon immer einen eigenen Kopf gehabt, und bei dir könne man nie recht wissen.”

“Dein Dad hat nicht von mir gesprochen, sondern von Elsa Jones. Von der Frau, die ihn vor vier Tagen erschossen hat.” Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt.

Er zuckte zusammen. “Das kann nicht Elsa gewesen sein. Du musst dich irren. Elsa kannte Dad. Wir sind auf ihrer Seite! Wieso sollte sie ihn erschießen?”

“Weil es nicht vorgesehen war, dass ich frei herumlaufe.” Sie schluckte. “Oder überhaupt noch am Leben bin. Und weil dein Dad früher oder später gemerkt hätte, dass ich nicht Elsa bin. Das konnte sie nicht zulassen.”

“Aber wieso? Dad hätte sie doch niemals verraten!” Er hörte sich an, als sei er den Tränen nah.

Hannah schüttelte den Kopf. “Das Risiko war zu groß.” Elsa Jones hatte einen gewaltigen Aufwand betrieben, um alle Welt glauben zu machen, Hannah sei Elsa Jones. Hätten sie und ihre Mitstreiter diesen Aufwand betrieben, wenn es allein darum gegangen wäre, Elsa Jones vor dem Knast zu bewahren? Im Gefängnis hatte Hannah genügend Zeit gehabt, um über diese Frage nachzugrübeln. Es konnte hier unmöglich um Elsa Jones allein gehen, die sich vor weiterer Verfolgung schützen wollte, indem sie dem FBI Hannah als Köder vorwarf. Es musste um diejenigen gehen, die hinter Elsa Jones standen – sie wollten um jeden Preis unentdeckt bleiben. Jeder mögliche Zeuge, der behauptete, die als Serienmörderin verurteilte Frau sei gar nicht die wahre Elsa Jones, musste zum Schweigen gebracht werden.

“Und was machen wir jetzt?”, fragte Steve in ein ziemlich langes Schweigen hinein. Mittlerweile war es stockdunkel, der Mond verbarg sich hinter düsteren Wolken. Das Feuer war fast heruntergebrannt.

Die Selbstverständlichkeit, mit der er “wir” gesagt hatte, irritierte sie. In ihrem Leben hatte es noch nie ein Wir gegeben, nicht einmal mit Marek, obwohl sie es versucht hatte.



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